Gleiche Kleidung, gleiche Chancen? So stärkt eine geschlechtersensible Ausstattung die Inklusion

Egal, ob auf der Baustelle, in der Metallverarbeitung oder in technischen Ausbildungsberufen: Viele Bereiche gelten auch heute noch als klassische Männerdomänen.

Der Frauenanteil in diesen Branchen steigt zwar seit einigen Jahren langsam, doch strukturelle Barrieren bestehen weiterhin fort. Eine davon wird wenig beachtet, ist aber im Alltag durchaus von Bedeutung: die Arbeitskleidung.

Was auf den ersten Blick wie eine praktische Notwendigkeit wirkt, wird schnell zu einem entscheidenden Symbol für Anpassung oder Ausschluss. Mitarbeitende, die nicht in die standardisierte Ausrüstung passen – egal, ob physisch oder mental – fühlen sich häufig nicht vollständig integriert.

Damit rückt ein Aspekt in den Fokus, der bisher selten mit Inklusion in Verbindung gebracht wurde: die Gestaltung der Berufsbekleidung.

Zwischen Schutz und Standardisierung: Wenn Passform zur Herausforderung wird

Viele Betriebe und Hersteller setzen bis heute auf klassiche Unisex-Modelle. Diese sollen „allen“ passen. Sie orientieren sich aber in der Regel dennoch an männlichen Körpermaßen.

Für weibliche Auszubildende bedeutet das oft zu lange Ärmel, zu weite Schnitte, rutschende Hosen oder schlecht sitzende Sicherheitsschuhe. Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin weist allerdings darauf hin, dass schlecht passende Schutzkleidung nicht nur den Tragekomfort mindert, sondern auch die Schutzfunktion stark beeinträchtigt. Die Folge besteht in einem erhöhten Unfallrisiko.

Zudem sinkt die Akzeptanz für vorgeschriebene Schutzausrüstung, wenn diese als unbequem oder ungeeignet empfunden wird. Die Folge: Vor allem junge Frauen weichen auf private Kleidung aus oder tragen ihre Ausrüstung nur unvollständig – ein Sicherheitsrisiko, das sich ohne viel Aufwand vermeiden ließe.

Arbeitsidentität beginnt beim Outfit

In männerdominierten Berufsfeldern nimmt die Kleidung zudem meist eine doppelte Funktion ein: Sie sorgt für die nötige Funktionalität und stärkt ebenfalls Teamzugehörigkeit. Wer dieselbe Kleidung trägt, wird als Teil der Gruppe wahrgenommen. Umso entscheidender ist es, dass sich alle darin gleichermaßen vertreten fühlen – unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Körperform.

Gerade in der dualen Ausbildung, in der viele Jugendliche erste Praxiserfahrung sammeln, entscheidet dieser Aspekt über das Zugehörigkeitsgefühl. Wenn Betriebe hier bewusst auf passende Ausstattung achten, besteht darin ein erster, konkreter Schritt Richtung Gleichstellung.

Vor diesem Hintergrund gewinnt der Aspekt der Berufsbekleidung also immens an Bedeutung: nicht nur als Schutzfaktor, sondern auch als stilles Signal von Wertschätzung und Gleichbehandlung.

Positive Entwicklungen fallen noch punktuell aus

Einzelne Unternehmen im Baugewerbe oder in der Industrie gehen mittlerweile neue Wege. Sie bieten passgenaue Kleidung in Damenschnitten an oder ermöglichen ihren Mitarbeitenden die Auswahl aus mehreren Modellen. Auch die Hersteller entwickeln zunehmend Kollektionen, die speziell auf weibliche Körper zugeschnitten sind, inklusive Sicherheitsschuhe, Helme und Jacken.

Allerdings bleibt die Umsetzung in der Breite noch weit hinter dem Bedarf zurück. Während große Firmen mit Betriebsrat und Budget häufig eine Vorreiterrolle einnehmen, fehlt es in kleineren Betrieben an Bewusstsein oder Ressourcen.

Dabei zeigen die ersten Praxiserfahrungen klar: Wer in geschlechtersensible Ausstattung investiert, stärkt die Motivation und die Bindung der Mitarbeitenden – ein Faktor, der vor allem im harten Wettbewerb um Fachkräfte zunehmend an Gewicht gewinnt.

Großer Effekt durch kleine Details

Inklusion am Arbeitsplatz beginnt im Kleinen. Eine angemessene Ausstattung ist nicht nur als ein unwichtiges Detail abzutun ? sie schafft Sicherheit, stärkt die Zugehörigkeit und trägt außerdem zur Chancengleichheit bei.

Berufsbekleidung als Teil eines inklusiven Ausbildungs- und Arbeitsumfeldes sichtbar zu machen, bedeutet also, Unterschiede anzuerkennen, ohne sie zu betonen – und die Vielfalt der Belegschaft konsequent mitzudenken. Gerade in männergeprägten Berufen ist dieser Perspektivwechsel ein entscheidender Hebel für positive Veränderungen.

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